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Aus dem Venenzentrum Frankfurt am Main

(Prof. Dr. Wolfgang Hach)


Die merkwürdigen Therapien
des Ulcus cruris
-Medizinhistorische Betrachtungen
über Jahrhunderte hinweg -

W. Hach


Unter chronischen Beingeschwüren haben die Menschen schon immer gelitten, sicherlich auch in der Frühzeit. Darüber sind uns aber keine Überlieferungen bekannt. Bei den Alten Griechen spielte die Lokaltherapie eine dominierende Rolle. Im Alten Rom wurden bereits Operationen durchgeführt, die auf den pathophysiologischen Prinzipien unserer Zeit beruhen. Das Mittelalter brachte dann viel Aberglauben und Zauberei in die Ulkustherapie hinein: Die Bestandteile der Wässer, Salben und Aufschläge führten zum Extrem der Drecksapotheke. Jedoch beruhen unsere Darstellungen dieser Zeit letztendlich auf einzelnen Schriftwerken. Die Volksmedizin mit ihren reichen Erfahrungen und guten Erfolgen wurde immer nur persönlich weitergegeben, von der Mutter auf die Tochter, von Generation zu Generation. Und darüber gibt es keine Literatur. Leider!


Kräutterbuch anno 1587, in dem auch Zaubermittel abgehandelt werden
Die chronischen Beingeschwüre hat es beim Menschen wohl schon immer gegeben. Wir schließen darauf, weil sich gewisse Bedingungen der Lebensweise des Menschen über die Jahrtausende hinweg nicht oder nicht grundlegend verändert haben. Der aufrechte Gang führt zu Umstellungen der Hämodynamik mit der Möglichkeit von peripheren Blutstauungen. Die Jäger und Krieger in der Frühzeit der Menschheit haben von einer kongenitalen APC-Resistenz profitiert, weil dadurch bei Verletzungen eine schnellere Blutstillung eintrat. Aber die Menschen lebten damals nur 20 bis 25 Jahre, und in dieser kurzen Zeitspanne war das chronische Beingeschwür eher eine Seltenheit. Sicherlich kannten die frühen Menschen verschiedene Auflagen von Blättern und Kräutern und den Umgang mit tierischen Heilmitteln. Überlieferungen aus dieser Zeit gibt es natürlich nicht. Außerdem ist der Patient an einem Ulcus cruris nicht gestorben, und nur das zählte im Endeffekt.
Alte griechische Medizin
Das alte Griechenland ist die Wiege unserer Kultur. Die Medizin spielte bei den gebildeten Griechen eine große Rolle, denn sie gehörte mit der Malerei und Architektur, der Musik und der Poesie zu den Künsten.

Hippokrates (460-375)
Im 4. Jahrhundert wurde die Medizin durch Hippokrates von Kos geprägt. In dem Buch De vulneribus s. ulceribus (Peri elkvn) gab es zwischen den Wunden und den Geschwüren keine strenge Trennung. Die Ulcera wurden in fistulöse, fungöse, serpiginöse und einfache Geschwüre eingeteilt, ohne dass sich aber eine genaue Charakterisierung findet (6).

In der lokalen Therapie (Tab.1) spielten Kataplasmen eine wesentliche Rolle, bei indolenten und malignen Ulcera vor allem das stark reizende Carische Pharmakon (to karikon farmakon), dessen Bestandteile mit Cedernöl verrieben wurden (Tab.2).
Tabelle 1: Lokale Therapie des Ulcus cruris bei Hippokrates (6)
Keine Anfeuchtung ausser mit Wein  
Ruhigstellung der Gliedmaße  
Verbandstherapie?  
Kataplasmen mit dem Carischen Pharmakon  
Salben mit Kiefernharz, Schweinefett und Bleiweiss  
Dichte und tiefe Skarifikationen bei Anschwellungen  
Anstechen von Varizen 
Tabelle 2: Carisches Pharmakon (6)
Cistis, Christrose (Radix Hellebori nigri)  
Sandaracha (Rotes Arsenik)  
Kupferspähne  
Geröstetes Blei mit viel Schwefel und Arsenik  
Spanische Fliege (Meloe vesicatorius) 
Erklärung. Nach Dioscorides (1. Jhd n Chr.) entspricht das griechische und lateinische Sandaracha (sandarakh) dem Roten Arsenik (4). Es wurde in Hellesponto bey der Statt Mysia gefunden, in einer Schüssel auf glühenden Kohlen erhitzt und dann zu einem Pulver zerrieben. Die Anwendung erfolgte in der Zubereitung mit Pech, Schmalz, Rosenöl, Meth oder Honigwasser. Es hat ein Krafft / damit es verzehrt und außetzet / zusammen zeucht / Geschwer und Rinden macht / truckt das Außwachsende Fleisch / und was sonst Herauswächst / zurück /

Erklärung. Die Spanische Fliege (Blasenkäfer, Meloe vesicatorius) (1). Herstellung aus dem Pulver der Canthariden, als Pflaster oder Tinktur zur örtlichen Anwendung. Starke Blasenziehungen an der Haut. Zuweilen entsteht bey der Anwendung dieser Mittel eine widernatürliche Trockenheit im Munde, Durst, und eine inflammatorische Harnstrenge. Wahrscheinlich werden reitzende Theile der Kanthariden in die Säfte aufgenommen. Die Anwendung erfolgte bei Krankheiten, wo die Reizbarkeit des Körpers erloschen ist, in krampfenden Krankheiten und gegen Entzündungen der Eingeweide (2) (Abb. 1)

Die Spanische Fliege. Lytta vesicatoria, der gewöhnliche Pflasterkäfer. Vorkommen im südlichen Europa, aber auch bis Schweden und Russland (Sibirien), manche Jahre in ungeheuren Mengen. Herstellung der Pflaster und Tinkturen aus dem Pulver der Canthariden (2).

Alte Römische Medizin
Die medizinischen Überlieferungen aus dem alten Rom sind bruchstückhaft, zumal die Ausübung des ärztlichen Berufes hauptsächlich in den Händen von Griechen lag.

Aulus Cornelius Celsus (um Christi Geburt)
Eine große Bedeutung kommt dem medizinischen Schriftsteller Celsus und seinem großen Werk De re medica libri octo zu. Es handelte sich nicht um ein Lehrbuch für Ärzte und Chirurgen, sondern um eine Pflichtlektüre des vornehmen Römers. Die Kenntnis der Heilkunde erschien einerseits notwendig wegen der im Alterthum so hoch gehaltenen Diätetik und Prophylaxis, andererseits aber sehr einfach aus dem Umstande, dass reiche Römer auf ihren Landgütern eine oft sehr grosse Anzahl von Sklaven hielten, welche in erster Linie als ein sehr werthvolles lebendiges Capital in Betracht kamen. Ähnlich wie der Landwirt sich für die Tierheilkunde interessiert, musste der Sklavenhalter zu seinem eigenen Vorteil über medizinische Kenntnisse verfügen, um in Krankheitsfällen aktiv zu werden (14).

In dem Kapitel 32 des 5. Buches ist von der Behandlung chronischer Geschwüre die Rede. Es wird ein „sehr altes Verfahren“ zitiert: Man muss dasselbe mit dem Messer umschneiden, seine Ränder ausschneiden und in die dieselben umgebenden bläulich verfärbten Stellen Einschnitte machen. Befindet sich im Geschwür eine kleine Krampfader, welche die Heilung verhindert, so schneide man sie gleichfalls aus.

Anmerkung. Aus heutiger Sicht sind hier die Überlegungen der Homans´schen Operation 1916 (15) und der Skarifikation nach Sakurane 1907 (19) zu erkennen, ebenso die Bedeutung der Perforansinsuffizienz für die Unterhaltung der Ulzeration (11). Man fragt sich, warum sich die Methode nicht durchgesetzt hat: Die Medizinhistoriker sagen, Celsus galt bei den Ärzten des Alten Rom „nur“ als Schriftsteller. Die Ärzte waren alles Griechen, und die benutzten die römische Literatur nicht (7).
Aber es gab auch Empfehlungen zur konservativen Therapie. Will man das Messer nicht gebrauchen, so kann man das aus Cistusharz bereitete Pflaster zur Heilung anwenden (20).
Erklärung. Die Pflanze mit dem griechischen Namen kisto (lateinisch Cistis, Citharon oder Cistaron) entspricht wohl unserer Christrose (Helleborus niger), der Schwarze Nieswurz. In dem ausführlichen Kräuterbuch des Tabernaemontanus anno 1781 sind 13 verschiedene Variationen des Christenrösleins aufgeführt (23). Sie kommen im südlichen Europa und in der Schweiz vor.

Die Verwendung in der Medizin geht auf Dioscorides zurück: Dieser Cistis hat eine Krafft / damit er zusammen zeucht / derhalben seine Blumen in herbem Wein zweymal im Tage getruncken / sind gut wider die rote Ruhr. Allein vbergelegt / stillen und wehren sie den Geschweren / die weiter vmb sich fressen (welche die Griechen Nomas nennen) und heylen mit Wachs vermischt / den Brandt / zu sampt den alten Geschweren vnnd Schäden (4).

Nach Arneman (1) werden nur die langen Fasern der Wurzeln (Fibrae Hellebori nigri) verwendet. Sie enthält ein scharfes Prinzipium, welches sie dem Wasser mittheilt, und einen harzicht schleimigen Bestandtheil (Abb. 2).

Cistis in der Darstellung von Dioscorides anno 1614 in dreifarbigem Druck. Stäudlein im steynigten Erdtreich wachsend. Das Männlin hat ein Blum / der Granatöffeln-bluet ehnlich. Deß Weiblins Bluet ist weiß (4)

Medizin im Mittelalter
Das Mittelalter umfasst nahezu 11 Jahrhunderte vom Untergang des römischen Westreiches 476 n. Chr. bis zum Ende des 15. Jahrhunderts. Hier wurden die großen Übersichtswerke des Oribasius (4. Jhd.) und des Aetius (6. Jhd) geschaffen, in denen die Kenntnisse des Altertums zusammengefasst sind. Abulkasim (10. Jhd.) als Vertreter der arabischen Medizin hat sich ebenfalls größtenteils auf die Schriftsteller des Altertums berufen, auch was die Therapie der chronischen Geschwüre angeht (8).

Cura magnetica (14. Jhd)
Im Mittelalter spielten der Aberglauben und die Zauberei eine große Rolle. Sie gehörten in der Regel aber nicht zur Medizin, im Gegenteil, oft durfte ein Arzt bei den Therapien nicht zugegen sein. Als typisches Beispiel wird die Cura magnetica zur Heilung von Wunden und Geschwüren genannt. Dazu war ein Zauberpulver, das Pulvis sympatheticus erforderlich. Sympathetisch heißt: Geheimnisvolles Mittel. Eine Weidenrute oder auch ein Leinentuch wurde im Ulkus feucht und blutig gemacht. Dann streute der Wunderheiler das Pulvis sympatheticus sowohl auf die Wunde als auch auf die Weide (Leinentuch). Jetzt sollte das Pulver zusammen mit dem Ulkus auf die Weidenrute oder auf das Leinentuch hinübergezogen werden. Man glaubte, die Behandlung gelinge auch in absentia, also wenn Rute und Geschwür weit auseinander lagen (17).

Erklärung. In der Schatz-Kammer Medicinisch- und Natürlicher Dinge von Woyt (1729) ist nachzulesen (27): Das Pulvis sympatheticus ist nichts anders, als weisser oder grüner Vitriol (Eisensulfat). Vitriolum romanum leg an die Sonne, weil sie im Zeichen des Löwen gehet; überdies soll ihm auch das Gestirn seinen Einfluß mittheilen. Aber schon Woyt war von der Wirkung nicht überzeugt: Wo man dis Pulver in ein aufs neue blutig gemachtes Tüchlein in eben der Kammer, wo der Patient lieget, streuet, so hilfft es nicht.
Anmerkung: Dieses operative Konzept entspricht der Trendelenburg´schen Operation 1890 (23).
Guy de Chauliac (14. Jhd.)
Der große Chirurg und Schriftsteller lebte in Lyon und Avignon, lehrte vorübergehend aber auch in der sehr berühmten Medizinstadt des Mittelalter, in Montpellier. Seine Chirurgiae tractatus septem verfasste Chauliac 1363, und die erste Ausgabe erschien 1470 in Venedig, dann in verschiedenen Sprachen. Das Werk sollte die Chirurgie für nahezu 200 Jahre beeinflussen (12,24).

Auf die Geschwüre des Unterschenkels wird ausführlich eingegangen. Chauliac empfahl, das Ulkus und seine Umgebung mit Aqua aluminis (Alaun) abzuwaschen und dann eine Bleiplatte von der doppelten Größe des Geschwürs fest aufzubinden (10).
Erklärung. Alaun ist ein Mineral, Kalziumaluminiumsulfat, das als Alumen seit dem Altertum sowohl in der Tuchfärberei als auch in der Medizin verwendet wurde. Das Erz stammte in der Hauptsache aus Italien und England, aber auch bei Saalfeld und bei Ziegenhain in Hessen wurde es gefunden. Die Zubereitung durch Brennen und Wässern dauerte 4 Wochen lang. Das Aqua aluminis war als adstringierendes und blutstillendes Mittel zur Behandlung von Wunden in der Chirurgie sehr beliebt, wurde aber auch zur Stärkung der Gewebe nach Verrenkungen, bei Vorfällen und Brüchen, ja selbst zur Wiederbringung der verlohrnen Jungfrauschafft (pro sophisticatione virginum) mißbrauchet (1, 25)

Erklärung. Dem Blei wurde eine austrocknende, kühlende und zusammenziehende Eigenschaft zuerkannt, allerdings erfolgte die Anwendung üblicherweise als Mennige (1). Chauliac wollte aber vielleicht zusätzlich einen Kompressionseffekt ausüben. So heißt es bei ihm: Decima formula est, lamina tenuis plumbea, quae secundum magnitudem ulceris superponatur, et stricte ligetur (10).
Lonitzer (15. Und 16. Jhd.)
Die Verzauberung von Geschwüren hat im ganzen Mittelalter und auch noch in der Neuzeit eine wichtige Rolle gespielt. Noch Laurentius Heister schrieb 1731 dazu: Bezauberte Schäden werden erkannt, wenn Nadeln, Haar, Fäden, Lumpen, Nägel, Eyerschalen, Kohlen, und andere dergleichen Sachen, welche natürlich nicht im menschlichen Leibe generiret werden, aus den Abszessen oder Geschwüren ausziehet (13).

Im Kräuterbuch von Lonitzer anno 1587 sind eine Reihe von Mitteln gegen die Verzauberung angegeben (Tab. 3) (16). Darauf weist ein Name wie Fuga daemonis für das Johanniskraut hin. Schon der Theologe, Philosoph und Naturwissenschaftler Albertus Magnus (1193-1280) schrieb: Wer dieses Kraut immer bei sich trägt, braucht sich nicht vor dem bösen Blick, Geistern, Gift, Wasser oder Feuer zu fürchten (zit bei 21).

Die Asa foetida, der Stercus diaboli oder Teuffelstreck, ist ein Harz aus verschiedenen Ferula-Gewächsen in Vorderasien. Wenn das Kalbsnaß (der Hundskopff) jemandem an den Körper gehenkt wird, sol ihm kein Zauberey entstehen.
Tabelle 3: Kräuter gegen die Verzauberung eines Ulkus (16)  
Fuga daemonis (Johanniskraut)  
Stercus diaboli (Teufelsdreck) (Harze)  
Kalbsnaß (Hundskopff) 
Medizin der Neuzeit
Die Neuzeit beginnt Ende des 15. Jahrhunderts, und mit der Erfindung des Buchdrucks 1492 verfügen wir über eine reichhaltige Literatur, die heute im Original zu lesen ist.

Vogter B (16. Jhd)
Bartholomeus Vogter bezeichnete sich als Augenarzt zu Dillingen, und sein Buch Wie man alle gebresten und kranckhaiten des menschlichen leibs..vertreiben soll erschien 1531 in Augsburg (26). Darin ging er auf die Therapie der verschiedenen Wunden und Geschwüre ein (Abb. 3).

Titelseite von Vogter (1531) Wie man alle gebresten und kranckheiten des menschlichen leibs, außwendig und ynwendig, vo(n) dem Hauptbiß auf die füß, artzneyen und vertreiben soll (26)

Dem venösen Geschwür kommt Das CCIIII Capittel am nächsten mit der Überschrift: Für faul Fleisch der Wunden / vnnd für den gestanck der vnreinen wunden / mit welchem wasser das zu wennden ist. Es wurden verschiedene Destillate von Pflanzen angegeben, von denen jedes die Wunde reyniget von faulen flaisch und vertreibt den gestanck.
Tabelle 4: Für faul fleisch der wunden (26) 
Aron wasser / damit gewaschen  
Paplen wasser getruncken  
Camillen wasser benimpt den gestanck  
Honig wasser / damit gewaschen  
Lienen blut wasser / reyniget sei und heilts  
Nessel wurz wasser benimpt dem gestanck  
Rosen wasser / reyniget sie 
D. Laurentius Heister (1683-1758)
Der berühmte Professor Medicinae und Chirurgiae Heister gilt als Begründer der wissenschaftlichen Chirurgie in Deutschland (Abb. 4)

Titelbild von D. Laurentius Heister in der Ausgabe 1731 der Chirurgie (13)

Er wirkte zuletzt in Helmstädt. Sein Lehrbuch der Chirurgie, in welcher alles, was zur Wund-Artzney gehöret, erschien erstmals 1718 und dann in vielen Auflagen. Darin ging er ausführlich auf die verschiedenen Ulcera ein (13). Wie ungesunder ein Patient, je schärffer Geblüt er hat, je stinkender das Geschwür, je schärffer das Eyter, je unnatürlichere Farb es hat, je fressender es ist, je schwächer der Patient, und je älter derselbe, desto beschwerlicher lassen sich die Geschwüre heilen, und sind öffters gar nicht zu curieren. Alte Schäden, sonderlich an den Beinen bey kräncklichen und alten Leuten, soll man nicht zuheilen: Weil die Natur schon gewohnt ist, hier das Böse aus dem Leib zu treiben. In jungen Leuten aber darf man alte Geschwür noch wohl kurieren.

Heister hat die 3 wichtigen Phasen der Heilung von chronischen Wunden, die Säuberung, die Granulation und die Epithelialisierung klar voneinander getrennt. Dazu gab er differenzierte Therapien an.

Was das erste, nemlich die Reinigung, anbelangt, so läßt man die Materie von selbsten auslaufen; um aber die noch in dem Geschwür hängende verdorbene Häutlein, Fett und andere Unreinigkeiten wegzubringen, appliciert man das Digestiv-Sälbgen, biß in dem Grund überall rothes und gesundes Fleisch zu sehen ist.
Tabelle 5: Zusammensetzung des Digestiv-Sälbgen (1)  
Balsamus Arciae: Terpentin, Gummi Elemi und Axungia porcina (Schweinefett)  
Spiritus vini  
Oleum ovorum: Öl aus geröstetem Eidotter 
Um das Geschwür mit frischem Fleisch aufzufüllen, applicirt man alsdann die so genannte fleischmachende Medicamenten, welche hier sein können entweder eben das Digestiv-Sälbgen oder andere dergleichen Wund-Balsam (Balsamus peruvianus – Peru, Balsamus copaivae - Südamerika)

Wenn also das Geschwür wiederum mit neuem Fleisch bewachsen, muß man den Schaden mit einer sauberen Narbe zu schliessen trachten. Man kann trucknende Puder einstreuen, dergleichen von Mastix, Weyrauch. Sarcocella , Colophonium, Lapis Calaminaris und Tutia kann gemacht werden.
Erklärungen: Sarcocella: Gummi eines arabischen Baums ähnlich wie Weihrauch.
Colophonium: Violin-Harz, Rest nach der Destillation von Oleum Terebinthinae.
Galmei (Lapis Calaminaris): Zinkerz, Silikat und Karbonat.
Tutie: Zinkblumen, Zinkkalk. Zur Verbesserung des Geruchs bei faulen Geschwüren (1).
Johannes Gufer (17. Jhd)
Gufer war ein Apostel der Naturheilkunde und praktizierte in Memmingen. Seine Kleine Hauß-Apotheck erschien 1689
(Abb. 5).

Titelseite von Gufer (1689) Tabulae medicae sive Medicina domestica. Das ist: Kleine Hauß-Apotheck (5)

In den Rezepten der Naturheilkunde traten die merkwürdigsten Inkredentien auf, der Kot verschiedener Tiere, Harn, Speichel und Haare, Schnecken, Regenwürmer und Ameisen-Eier, selbst der Sud von alten Schuhen.

In dem Kapitel Von alten Schuhen schreibt Gufer: Die alte Geschwär an Schienbeinern zu trücknen und zu heilen / nimb Eyerschalen und Schuhsohlen / verbrenns zu Pulver / thue darzu Rinderkoth im Mayen gesamlee und gedörrt / sprenge darvon etlichmal in das Geschwär. Man distilliert auch auß obgesamelten Schuhen ein köstlich Oel / welches allerley Geschwulsten hinweg nimbt.

Christian Franz Paullini (1643-1712)
Im Jahre 1696 erschien die berüchtigte Schrift Heylsame Dreck-Apotheke, wie nemlich mit Koth und Urin ...auch die schwerste Kranckheiten glücklich curiret werden. Paullini war Arzt und Theologe. Er wirkte zuletzt in Eisenach als Stadtphysikus (14). Von seinem Namen gibt es verschieden Schreibweisen.

In dem Kapitel Von Geschwären werden mehrere Rezepte aufgeführt, die mit Ziegen-koth, Hunds-koth, Tauben-koth, Katzen-koth, Hüner- und Gänse-koth angefertigt sind. Dazu gehört die folgende Empfehlung: Nimm Sauerteig 4. Loth, Ziegen-koth 2. Loth, Senff-saamen 1. Loth, Salpeter und Schwefel, jedes 2. Quintlein, Scharffen Essig, und Honig von Elephanten-Läusen, so viel genug ist. Mache davon einen Brey, und schlage ihn über.

Literaturverzeichnis
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3.Braunschweig H (1610). Ars destillandi oder Diestellier Kunst. In Dioscorides P. Corthoys. Frankfurt am Mayn. S 547

4.Dioscorides P (1614) Kräuterbuch von allerley wolriechenden Kräutern / Gewürtzen / köstlichen Oelen und Salben / Bäumen / Hartzen usw. Corthoys. Frankfurt am Mayn. S 58, 399

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6.Gurlt E (1898) Hippokrates. In: Geschichte der Chirurgie und ihrer Ausübung. Bd 1 Hirschwald, Berlin. S 246-93

7.Gurlt E (1898) A. Cornelius Celsus. In: Geschichte der Chirurgie und ihrer Ausübung. Bd 1. Hirschwald, Berlin. S 334-94

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9.Gurlt E (1898). Bertapaglia L. In: Geschichte der Chirurgie und ihrer Ausübung. Bd 1. Hirschwald, Berlin. S 858-65

10.Gurlt E (1898). Guy de Chauliac. In: Geschichte der Chirurgie und ihrer Ausübung. Bd 2. Hirschwald, Berlin. S 77-107

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21.Steigemann S (1975). Hexen und Hexenmeister. Econ. Düsseldorf und Wien. S 222

22.Tabernaemontanus DJT (1731) Neu vollkommen Kräuter-Buch / Darinnen über 3000 Kräuter. König. Offenbach am Mayn. S 1469-76. Reprint Kölbl. München 1970

23.Trendelenburg F (1890). Ueber die Unterbindung der Vena saphena magna bei Unterschenkelvaricen. Beitr Klin Chir 7:195-210

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26.Vogter B (1531). Wie man alle gebresten und kranckheiten des menschlichen leibs, außwendig und ynwendig, vo(n) dem Haupt biß auf die füß, artzneyen und vertreiben soll, mit außgepranten wassern. Newlich zusammengesetzt. Steiner. Augsburg. S 72

27.Woyt JJ (1729). Gazophylacium medico-physicum, oder Schatz-Kammer Medicinisch- und Natürlicher Dinge. Friedrich Lanckischen Erben. Leipzig. S 776-7

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