und
Gefäßzentrum Krankenhaus Nordwest Frankfurt am Main
(Prof. Dr. Viola Hach-Wunderle)
Beherrschung einer dramatischen
venösen Blutung bei
Bernhard von Langenbeck anno 1857
Von Wolfgang Hach und Viola Hach-Wunderle
Bernhard von Langenbeck (1810-1887) gilt als einer der berühmtesten Chirurgen und als Begründer der wissenschaftlichen Chirurgie in Deutschland. Er lebte in einer Zeit, als nach Einführung der Narkose und der Antisepsis die Voraussetzungen für eine grandiose Entwicklung der Chirurgie geschaffen waren. Im Jahre 1848 übernahm er den Lehrstuhl der Chirurgie an der Berliner Charité.
Von Langenbeck war einer der Gründer der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie 1871 in Berlin und 14 Jahre lang ihr Vorsitzender. Viele neue Errungenschaften der Chirurgie gehen auf ihn zurück, insbesondere die Versorgung von Schussverletzungen und die Gelenkresektionen. Zusammen mit seinen Schülern Billroth und Gurlt gründete er 1860 die Zeitschrift „Archiv für klinische Chirurgie“, später „Langenbeck´s Archiv“ genannt, und veröffentlichte in der ersten Ausgabe auch die Titelarbeit Beiträge zur chirurgischen Pathologie der Venen.
In seiner Kasuistik beschreibt von Langenbeck sehr ausführlich die Operation eines mannskopfgroßen Sarkoms am Oberschenkel einer 49-jährigen Frau, bei der es zu einer Verletzung der V. femoralis communis mit unstillbarer Blutung kam. Schließlich gelang es, durch Unterbindung der A. femoralis communis die lebensbedrohliche Situation zu beherrschen.
Von Langenbeck glaubte, die Arterienligatur zur Stillung der schweren venösen Blutung als erster erfolgreich vorgenommen zu haben, und wies die Chirurgie auf einen falschen Weg.
Perpendikulärer (senkrechter) Hautschnitt vom Poupart. Bande bis zur unteren Gränze der Geschwulst. Am unteren Rande des Proc. falciform. dringt die Geschwulst durch die erweiterte Fovea ovalis in die Tiefe. Ausgedehnte Spaltung der tiefen Schenkelfascie legt den unter derselben liegenden Teil der Geschwulst frei, und dieser wird ohne Schwierigkeit aus der Tiefe isolirt. Der starke Hängebauch und die umfangreiche, von einem Assistenten gehaltene Geschwulst verdeckte hier das Operationsfeld vollständig. Von aussen nach innen die Verwachsungen der Geschwulst durch sorgfältige Präparation trennend, verletzte ich zunächst eine starke Arterie (Epigastrica externa), doch stand die Blutung von selbst. Ich gelangte nun auf den Stamm der Art. femoralis. Indem ich die letzten Bindegewebsanhänge der Geschwulst mit der Scheere durchschnitt, während ich in dem meinem Auge unzugänglichen Operationsfeld die Art. femor. mit dem Finger schützte, wurde plötzlich die Wunde von einer schwarzen Blutwelle überfluthet. Compression des peripherischen Endes der Vena femoralis stillte die Blutung sofort und ich löste durch rasche Schnitte die Geschwulst aus ihren letzten Verbindungen ab. Die schlauchförmig erweiterte, reichlich 2 Querfinger dicke Vena femoralis lag frei zu Tage, und zeigte 1 Zoll unterhalb ihres Eintritts in den Schenkelkanal ein rundliches Loch von 1½ Linien Durchmesser, aus welchem ein dicker Blutstrom hervorquoll, sobald die Compression unterhalb und oberhalb desselben aufhörte.
Es wurde nun die Venenwand im Bereich der Wunde mit einer Pincette faltenartig hervorgehoben, und eine Ligatur um dieselbe gelegt. In dem
Augenblick der nachlassenden Compression drang sofort das Blut neben der Ligatur hervor, und diese war durch den Druck der Blutsäule abgestreift worden“.
Beim Feuerschwamm, dem Fungus Chirurgorum oder Boletus ignarius (Fomes fomentarius), handelt es sich um einen auffallenden Pilz, der auf alten oder abgestorbenen Bäumen in unseren Wäldern wächst. Er bildet hufförmige Hüte, die seitlich an der Rinde festgewachsen sind und weit vorspringen. Die stark gewölbte Oberseite ist mit einer harten schwarzen Rinde bedeckt, die von den Jahresfurchungen markiert ist. Unter der Rinde befindet sich eine weiche, rostgelbe Schicht aus Hyphengewebe, die Zunderschicht.
Abb.3. Feuerschwamm auf einem abgestorbenen Baumstumpf an einem Seitenarm der Nidda in Frankfurt am Main. Deutliche Erkennung der Jahresringe an den Pilzen.
Der Pilz wurde früher im Herbst gesammelt, die Zunderschicht herausgeschnitten, in Wasser gekocht, mit Salpeter versehen, weich geklopft und getrocknet. Dieser Zunder entzündete sich schon an einem einzigen Funken und glimmte lange nach. Nach Herauslösung des Salpeter gelangte der Wundschwamm oder Blutschwamm zur Verwendung in der Chirurgie als Hämostyptikum (1, 4,).
6. Aug. Bei Erneuerung des Verbandes finden wir die Wunde von gutem Aussehn, und schon beginnender Eiterung. Temperatur des Beins noch merklich niedriger, als an der gesunden Extremität“.
Von Langenbecks Schlussfolgerung
In seiner Arbeit über die Verletzungen der Venen (11) zieht von Langenbeck wichtige und richtungsgebende Schlussfolgerungen, die in der Literatur einen langen Nachhall finden sollten (2, 3, 5, 10). Die Verwendung des Liquor ferri sesquichlorati als Hämostyptikum wurde bei venösen Blutungen wegen der Nebenwirkungen durch Thrombosen und vor allem Ätzungen für zu gefährlich gehalten. Eher zog von Langenbeck die Anwendung des Glüheisens vor. Als geschätztes Verfahren galt die Kompression, provisorisch durch Fingerdruck oder durch das Zusammenziehen der Wundränder mit Pflasterstreifen.
„Die Unterbindung grosser Venenstämme ist so viel als möglich zu vermeiden, besonders in Krankenhäusern, wo die Gefahren der Thrombose und Pyämie durch die Unterbindung entschieden gesteigert werden“. Die seitliche Ligatur der Vene bei kleinen Wunden wurde früher bereits von anderen Chirurgen vorgenommen und ging mit einer sehr großen Gefahr der tödlichen Nachblutung einher.
„Es scheint Niemandem eingefallen zu sein, die bei jeder arteriellen Blutung gehandhabte Hülfe durch Compression oder Unterbindung des Arterienstammes auf die Stillung von Venenblutungen zu übertragen, und es ist mir nicht gelungen, einen Fall aufzufinden, in dem man versucht hätte, die Blutung aus einem verletzten Venenstamm durch Unterbindung des entsprechenden Arterienstammes zu stillen. Es bestand die von den meisten Chirurgen bis auf die neueste Zeit gehegte Besorgnis, dass gleichzeitige Unterbindung des grossen Arterien- und Venenstammes eines Körpertheils nothwendige Gangraen zur Folge haben müsse, eine Besorgniss, die, wie wir sehen werden, durch die Erfahrung nicht gerechtfertigt wird“.
Aber gerade diese Erfahrung führte zu einer fehlerhaften Einschätzung bei der Versorgung großer Venenverletzungen im Rahmen der Tumor- und Unfallchirurgie, die erst durch den Vortrag von Heinrich Braun auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie am 31. Mai 1882 beendet werden sollte (2). Darüber wird in einem zweiten Aufsatz die Rede sein.
Literaturverzeichnis
1. Boedijn KB (1967). Knaurs Pflanzenreich in Farben. Niedere Pflanzen. Droemer und Knaur. München Zürich. S 160
2. Braun H (1982). Die Unterbindung der Schenkelvene am Poupart´schen Bande. Verh Dtsch Ges Chir 11:233-76
3. Braune W (1873). Die Oberschenkelvene des Menschen in anatomischer und klinischer Beziehung. Veit u Comp. Leipzig. S 11-4
4. Buchmeister GA, Ottersbach G (1921). Handbuch der Drogisten-Praxis. Springer. Berlin. S 588-92
5. Gensoul (1833) Note sur les blesses recus à l´Hotel Dieu de Lyon pendant le trouble de 1831, lue à l´ accademie de mèdicine. Gaz Med Paris. S 299
6. Hach W (2000). Die Entwicklung der großen Venenchirurgie in Europa. Chirurg 71:337-41
7. Hach W, Hach V (2001). Richard von Volkmann und die Chirurgie an der Friedrichs-Universität in Halle von 1867 bis 1889. Zbl Chir 126:822-7
8. Hager H (1872). Deutsche Pharmakopöe. Königliche Geheime Ober-Hofbuchdruckerei. S238-9
9. Kilian H (1980). Meister der Chirurgie. Thieme. Stuttgart. S 348-9
10. Kraske P (1880) Schußverletzung der A. und V. cruralis oberhalb der Vasa profunda. Unterbindung beider Gefäße. Gangrän des Beines. Tod. Centralbl Chir 43:689-95
11. Langenbeck B (1860). Beiträge zur chirurgischen Pathologie der Venen. Arch Klin Chir 1: 2-80
12. Pagel J (1901). Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Urban und Schwarzenberg. Berlin Wien. S 954-5
13. Roux P. Zit n von Brunn M (1910) Die Unterbindung der V. femoralis communis. In: Nasse D, Brunn M von: Chirurgische Krankheiten der unteren Extremitäten. Deutsche Chirurgie. Bd 66. Enke. Stuttgart. S 378-82
14. Volkmann R (1875) Ueber den antiseptischen Occlusivverband. In Beiträge zur Chirurgie. Breitkopf und Härtel. Leipzig. S 3-40
15. Winau R 1987). Medizin in Berlin. De Gruyter. Berlin New York S. 214
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