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112. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Inneren Medizin. Wiesbaden 14. - 18.04.2007

Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin: wer, wann, wie lange?

Viola Hach-Wunderle


In allen medizinischen Fachgebieten der Medizin, auch in der Inneren Medizin, steigt die Anzahl schwerkranker Patienten in der stationären Behandlung. Damit ergibt sich die Notwendigkeit, über eine adäquate Thromboseprophylaxe nachzudenken. Mit physikalischen Maßnahmen wie Frühmobilisation/Bewegungsübungen, medizinischem Thromboseprophylaxestrumpf und intermittierender pneumatischer Kompression einerseits und der Verabreichung von gerinnungshemmenden Medikamenten andererseits stehen hierfür wirksame Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die optimale Dauer ihrer Anwendung ist in der Inneren Medizin noch unklar.



Das individuelle Thromboserisiko eines Patienten setzt sich aus expositionellen und dispositionellen Risikofaktoren zusammen. In der Inneren Medizin wird das expositionelle Risiko durch die Art der akuten Erkrankung charakterisiert und erhöht sich zusätzlich bei intensivmedizinischer Betreuung, bei Beatmung und bei Immobilisation oder Lähmung. Ein hohes Risiko besteht beispielsweise beim Hirninfarkt mit Parese, bei der schweren Herzinsuffizienz NYHA III oder IV, bei akuter Exazerbation einer chronisch-obstruktiven Lungenkrankheit (COPD) mit Beatmungspflicht und bei der Sepsis mit Notwendigkeit einer intensivmedizinischen Überwachung. Das dispositionelle Risiko umfasst angeborene und erworbene Faktoren, die das thromboembolische Risiko erhöhen. Dazu gehören vor allem abgelaufene Thromboembolien in der eigenen Vorgeschichte, die Schwangerschaft, ein florides Malignom und das hohe Lebensalter.

Für Patienten mit akuten internistischen Erkrankungen wurde die Wirksamkeit der physikalischen und der medikamentösen Thromboseprophylaxe gegenüber unbehandelten Patienten eindeutig belegt. Allein durch das Tragen von Thromboseprophylaxestrümpfen ließ sich bei bettlägerigen Patienten mit akutem Myokardinfarkt die Anzahl von Thrombosen im Radiofibrinogen-Test von 10% auf 0% signifikant senken (Kierkegaard et al 1993; n=160 Beine, p=0,003). Große placebo-kontrollierte Studien belegen im internistischen Krankengut eindrucksvoll die Effektivität einer medikamentösen Thromboseprophylaxe für Enoxaparin 40 mg (MEDENOX-Studie 1999, n=1102: 5,5% vs. 14,9%; p<0,001), Fondaparinux 2,5 mg (ARTEMIS-Studie 2003, n=849: 5,6% vs. 10,5%; p=0,029) und Dalteparin 5000 IE (PREVENT-Studie 2004, n=3706: 2,8% vs. 5,5%; p<0,001). Der Thrombosenachweis erfolgte in den beiden erst genannten Studien mit der Phlebographie und in der PREVENT-Studie mit der Kompressionssonographie der proximalen Venen; die Zahl der großen Blutungen unterschied sich in allen drei Studien nicht signifikant von den Placebogruppen.

Im direkten Vergleich erwies sich die medikamentöse Thromboseprophylaxe mit niedermolekularem (NM-) Heparin gegenüber UF-Heparin bei bettlägerigen internistischen Patienten in mehreren randomisierten Studien als gleichwertig. Dabei kamen die NM-Heparine Dalteparin 2500 IE, Certoparin 1500 IE bzw. 3000 IE und Enoxaparin 20 mg bzw. 40 mg gegenüber 2-3x 5000 IE UF-Heparin/Tag zur Anwendung.

Bei einzelnen internistischen Krankheiten mit hohem Thromboserisiko ist die Wirksamkeit einer Thromboseprophylaxe durch randomisierte Studien belegt.

Zum Malignom legten Levine et al (1994) eine Studie an 311 Patientinnen mit Mammacarcinom und Chemotherapie vor; die Rate an Thromboembolien war unter einer niedrigdosierten Therapie mit Warfarin (INR 1,3-1,9) mit 0,7% signifikant geringer gegenüber unbehandelten Frauen mit 4,4% (p=0,03).

Beim Schlaganfall erwiesen sich Thromboseprophylaxestrümpfe als effektiv (Muir et al 2000); bei 98 Patienten reduzierte sich dadurch die Anzahl sonographisch nachgewiesener Thrombosen von 21,9% auf 10,8% (n.s.). Die Gabe von NM-Heparin Kabi 2165 in prophylaktischer (Prins et al 1989) und in gewichtsadaptierter Dosis (Sandstet et al 1990) war gegenüber Placebo leicht überlegen bzw. gleichwertig. Die NM-Heparine Enoxaparin 40 mg (Hillbom et al 2002) und Certoparin 3000 IE (Diener et al 2006) erwiesen sich bei 212 bzw. bei 545 Patienten mit akutem Schlaganfall gegenüber 3x 5000 IE UF-Heparin/Tag als gleichwertig in der Verhütung von venösen Thromboembolien.

Bei intensivpflichtigen Patienten wiesen Cade et al bereits im Jahre 1982 bei 234 Patienten eine deutlich geringere Thromboserate von 10% unter 2x 5000 IE
UF-Heparin/Tag gegenüber 19% unter Placebo mit dem Radiofibrinogen-Test nach (p=0,05). In einer späteren Untersuchung von Fraisse et al (2000) ergaben sich bei 223 Beatmungspatienten mit dekompensierter COPD unter dem NM-Heparin Nadroparin in gewichtsadaptierter Dosis mit 15,5% signifikant weniger phlebographisch nachgewiesene Thrombosen als unter Placebo mit 28,2% (p=0,045).

Die Daten untermauern die Notwendigkeit einer Thromboseprophylaxe in der Inneren Medizin. Wer, wann und wie lange davon profitiert bedarf jedoch in vielen Fällen der individuellen Entscheidung unter Berücksichtigung der dispositionellen Risikofaktoren.

Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. med. Viola Hach-Wunderle
Gefäßzentrum – Angiologie
Krankenhaus Nordwest
Steinbacher Hohl 2-26
60488 Frankfurt am Main
E-mail: Hach-Wunderle@t-online.de

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